Warum Hoteliers die Beratung meiden

Ungekürzt; Erstveröffentlicht am 28.08.2025 auf Tourismuspresse / TP-Blog

Portrait von Simone Puorto, im Hintergrund ein Reservierungsbuch und ein KPI Bericht mit Diagramm, darauf ein Stethoskop. Overlay Zitat: Keine Floskeln, kein Pitch. Nur die Wahrheit.

Vorsorge statt Notaufnahme – so lautet die Empfehlung der Medizin. Doch viele Hotels haben „gelernt“, die Beratung zu meiden, bis es zu spät ist. Oder der Insolvenzverwalter darauf besteht.

Warum? Weil zu oft die Erfahrung gezeigt hat: Berater schreiben seitenlange „Rezepte“ auf PowerPoint und verordnen teure „Mittel“ auf Privatkosten. Danach heißt es „Nächster bitte!“. Die gründliche Voruntersuchung, das Patientengespräch auf Augenhöhe und die Therapiebegleitung erwartet man vergebens.

Der gesunde Instinkt

Während in Konzernen ein gewisses Maß an externer Beratung vorausgesetzt wird, schreit der Selbsterhaltungstrieb unserer KMUs, sobald nur dieses Wort fällt. Nicht immer zu Unrecht, denn viele glänzende Verpackungen enthalten professionell designte Placebos.

Viele kennen das Muster: präsentiert wird vom Senior Partner, umgesetzt vom Junior Associate – und vielleicht bald sowieso nurmehr von einem Bot? McKinsey macht öffentlich, dass große Teile der „bisherigen“ Tätigkeiten nicht mehr als einen KI-Agenten erfordern, und baut laut Wall Street Journal bereits mehr als 10% der Stellen ab. Fortune zitiert kurz darauf einen Bericht des MIT, wonach 95% der in Konzernen eingesetzten KI-Agenten unzuverlässig sind. Vertrauen baut man so nicht auf.

Ein Fall aus der Praxis

Die neuen Eigentümer eines chronisch defizitären Hotels riefen hintereinander gleich vier Beratungen.

Alle wurden bezahlt. Niemand mit Umsetzung beauftragt. Nerven und Budget sind überstrapaziert – das Hotel immer noch Sanierungsfall.

WKO – Der „ärztliche“ Rat

Die Wirtschaftskammer betont in der Aussendung des neuen Fachverbandsobmanns die Bedeutung der externen Expertise. Konkret lautet der dringende Rat an die Mitglieder: „Strategie vor Implementierung“, ein duales Herangehen an die Herausforderungen speziell der Digitalisierung. Georg Imlauer bezeichnet Strategie- und Umsetzungsberatung gleichermaßen als unabdingbar. Medizinisch lässt sich das so verstehen: Eine Diagnose alleine heilt nicht – und Selbstmedikation ohne Plan macht es meist nur schlimmer. Es ist der Aufruf an die heimische Hotellerie, angesichts der rasanten Entwicklungen die Hilfe zu holen, die sie fit für den Wettbewerb macht. Auch wenn es einmal kurz piekst.

Was heute nicht mehr reicht

Im Hospitality Yearbook 2025 schreibt Simone Puorto über die Grundvoraussetzungen, die eine Vertrauensbasis zwischen Klienten und Berater ermöglichen. Seine roten Tücher:

Wenn Hoteliers das erleben, ist ihre Ablehnung externer Experten verständlich. Gerade in der Hotellerie zeigt sich auch, dass Hyper-Spezialisierung ausgedient hat: Der beste Datenanalyst wird im Betrieb scheitern, wenn er nicht mit dem IT-Manager über PMS-Einstellungen oder mit dem Night Auditor über seine Workarounds sprechen kann.

Zwischen Theorie und Alltag

In Konzepten klingt vieles plausibel. In den Betrieben sieht es anders aus: PMS laufen am Server im Keller, der bei jedem Neustart stöht. Schichtleiter basteln Dienstpläne aus Excel und Post-its. Eigentümer planen zwischen Frühstücksservice und Handwerkertermin. Wer diese Realität nicht kennt, bleibt mit seinen Konzepten zwangsläufig an der Oberfläche.

Holt man Strategieberater, hat das Ganze oft mehr mit einem mißlungenen Heurigenabend zu tun: jeder gibt seinen Senf dazu, aber G’selchtes ist zu wenig am Brett’l. Ruft man entnervt nach Umsetzungsbegleitern, wird zwar schnell bestellt, doch selten überlegt, was auf den Tisch gehört.

Fazit

IDS – das Implementierungs-Defizit-Syndrom – ist eine stille Krankheit der Branche. Sie lässt manche Hotels in bunten Konzepten baden, während der Alltag weiter improvisiert. Andere klammern an Prozessen, die früher schon nicht optimal waren, und hoffen dass es irgendwie gehen wird. Einige wollen krampfhaft glauben, dass ein neues Tool mit netter Oberfläche sie ohne viel Aufwand in die Zukunft katapultiert.

Doch Digitalisierung duldet keinen Aufschub. Wer sie verpasst, landet früher oder später in der Notaufnahme – und die ist teurer, härter, oft zu spät. Die Implementierung funktionierender  Lösungen benötigt gewissenhafte Vorarbeit, gründliche Planung und professionelle Umsetzung. Der beste Zeitpunkt zu starten ist heute.

Und: Berater müssen unbequem fragen. Ebenso wie der Arzt Ihres Vertrauens. 


Links:

Presseaussendung der WKO vom 09.08.2025

Consulting-Dō im Hospitality Yearbook von hospitalitynet vom 18.06.2025

Studie der Fachhochschule Westschweiz Wallis vom 09.07.2025

Wall Street Journal über AI in der Unternehmensberatung vom 02.08.2025

Fortune über den MIT report vom 18.08.2025