Die Anfrage

Sie ist eigentlich das non plus ultra des Hotelvertriebs, und wird doch nicht überall hoch geschätzt – mitunter sogar als umständlich und altmodisch belächelt, obwohl sie die höchste „conversion rate“ (Abschlussquote) hat: die klassische Buchungsanfrage.
Die schriftliche Buchungsanfrage gilt als altmodisch und umständlich, ist jedoch nach wie vor ein entscheidendes Instrument für die Hotelbranche. Warum ihre Erfolgsquote unschlagbar bleibt und wie sie effizient genutzt werden kann, erfahren Sie in diesem Artikel.
Die Erfolgsquoten bei „neuen“ Vertriebskanälen wie Newsletter, Social Media Marketing und Paid Search Ads ist im Verhältnis zur Frequenz niedrig. „View rates“, „click through rates“ und „conversion rates“ – Metriken die messen wie oft Zusendungen tatsächlich gelesen, Werbeanzeigen wirklich geklickt und Geschäfte letztlich abgeschlossen werden – bewegen sich weitgehend im einstelligen Prozentbereich. Ganz anders verhält es sich bei der direkten Anfrage: Ein Gast der sich mit einem konkreten Buchungswunsch an ein Hotel wendet hat zumindest eine Vorab-Entscheidung schon getroffen und kann mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit dazu bewegt werden tatsächlich eine Buchung im Hotel zu tätigen. Selbst bei „gestreuten“ Anfragen an mehrere Hotels ist die Erfolgsaussicht höher. Gleichzeitig stehen der Anfrage praktisch keine variablen Direktkosten gegenüber, vielmehr werden Standzeiten der Mitarbeiter damit effektiv genutzt, beziehungsweise ist es Teil der üblichen Tätigkeit eigener Reservierungsabteilungen, die von größeren Betrieben sowieso unterhalten werden müssen.
Warum also scherzt man über Gäste die „immer noch“ Anfragen versenden? Und warum versendet auch ein sonst so digitaler Mensch wie ich selbst welche?
Zwänge hinterfragen
Digitale Hilfsmittel bergen meiner Meinung nach auch die Gefahr überbewertet zu werden. Wo sie von manchen generalisierend abgelehnt werden, sehen andere sie ebenso generalisierend als Allheilmittel, zum Beispiel auch für den Mangel an qualifiziertem und motivierten Personal. Auch wird es für ein Zeichen der Modernität gehalten, scheinbar „überkommene“ Prozesse durch „zeitgemäße“ zu ersetzen. Dabei wird oft nicht nur übers Ziel hinausgeschossen sondern auch auf Vorteile verzichtet die „traditionelle“ Methoden bieten.
Der Versuch, ein bestimmtes Kundenverhalten in jedem Fall zu erzwingen statt auf unterschiedliche Kundenverhalten einzugehen klingt selbst für den Außenstehenden unsinnig, doch geschieht mehr oder weniger unbewusst genau dies. Angebote für Segmente für die eine rein digitale Vertriebsstrategie passend ist können und sollen diese natürlich konsequent verfolgen da es zum Gesamtkonzept passt und vom spezifisch angesprochenen Kunden erwartet wird. Möchte man allerdings diversifizierte Segmente bedienen oder hat man ein Angebot, das sich für voll digitalisierte Prozesse weniger eignet, kann fehlgeleitete „Innovation“ oder einfach nur mangelnder Einsatz für höchstmögliche Exzellenz des eigenen Service den Betrieb zum Verlierer im harten Wettbewerb werden lassen.
Gastgeberqualität und Serviceexzellenz bedeutet auf den Gast einzugehen – und zwar schon bei der gedanklichen Ankunft, nicht erst bei der physischen.
Effizienz prüfen
Wer sich durch Herzlichkeit, Gastfreundschaft und persönlichen Service auszeichnen möchte kann damit im Erstkontakt schon punkten. Vorausgesetzt, die Qualität ist auch wirklich ausgezeichnet.
Eine gästeorientierte Annahme und professionelle Beantwortung der Anfrage kann zu hoher Gästezufriedenheit bereits vor der Anreise führen, sozusagen einen Startvorteil herausholen. Das Erkennen der individuellen Wünsche und die Sicherstellung der Erfüllung dieser ist der nächste Schritt zum begeisterten Gast, wobei es nicht bei Bettentyp und Stockwerk bleibt (das könnte Software genauso gut!) – es gibt viele Parameter für einen erfolgreichen Aufenthalt, manche sind ohne Kosten und mit wenig Aufwand verbunden, manche bieten die Chance für Zusatzverkauf. Die hohe Kunst ist es unausgesprochene Wünsche zu erkennen, wie es nicht nur Ihr erfahrener Sommelier in Ihrem eigenen Betrieb praktiziert sondern auch der beliebte Friseur, der vertrauenswürdige Versicherungsberater und der verständnisvolle Arzt täglich tun. Ganz besonders gilt dies in Urlaubs- und Seminarhotels, aber auch in Stadthotels mit anspruchsvollen Privat- und Langzeitaufenthalten.
Ich habe über die „digitale Gästereise“ geschrieben (hier zum Nachlesen). Für mich ist diese allerdings kein Ersatz, sondern eine sinnvolle Ergänzung zur ganz traditionellen Gästereise, besser bekannt unter dem englischen Begriff „guest journey“.
Einzelne Vorgänge können und sollen über digitale Werkzeuge effizienter gestaltet werden und damit Mehrwert für Betrieb, Mitarbeiter und Gäste bringen. Manchmal müssen auch bestehende Nachteile durch technische Hilfsmittel ausgeglichen werden – lieber ein professionell gemachtes post stay mailing mit der Bitte um eine Bewertung als ein hingeworfenes „hat’s eh g’schmeckt?“ von Mitarbeitern die an der Antwort offenkundig desinteressiert sind. Für Selbstversorger-Unterkünfte ist elektronisch oft sogar die einzige Möglichkeit den Gast im Augenblick der Abreise zu verabschieden.
Welche individuelle Zusammenstellung von analogen und digitalen Methoden richtig ist, ist für jeden Betrieb unterschiedlich und bedarf eines klaren Fokus der Betriebsleitung, eines gemeinsamen Prozesses im gesamten Team, und der Bereitschaft zu Lernen – auch aus Fehlschlägen und Kritik. Wahre Exzellenz bedeutet jedenfalls ebenso Effizienz, denn jeder gute Wirt denkt auch als Betriebswirt.
Mein Erfahrungsbericht
Eine unangenehme Selbsterkenntnis habe ich diesen Advent erlangt: ich bin selbst nicht 100% digital.
Ein Klient bat um Hilfe bei der privaten Urlaubsplanung. Immerhin ging es um den Gegenwert eines Neuwagens. Auch deswegen habe ich zwar wie immer online recherchiert und abgefragt, dann aber eine klassische Anfrage an die ausgewählten Hotels gesendet.
Vorgeblich um die speziellen Wünsche des Gastes zu erfüllen, aber habe ich aufgrund der besonderen Bedeutung unbewusst doch nach der Sicherheit des menschlichen Kontakts gesucht? Oder misstraue ich vielen digitalen Prozessen in der Hotellerie aufgrund meiner Erfahrungen mit schlechten Umsetzungen?
Die gute Nachricht: Viele unserer österreichischen Gastgeber übertreffen bei der Qualität der Gästekommunikation ihre Konkurrenten in exklusiven Insellagen, obwohl diese weniger Herausforderungen am Personalmarkt gegenüberstehen. Das ist gleichzeitig auch die schlechte, denn ich war fast entsetzt über die erhaltenen Rückmeldungen.
Ich achte speziell in geschäftlicher Korrespondenz auf kurze Formulierungen und die Verwendung von Stichpunkten. Doch diese Luxusresorts scheinen das Lesen nur halbherzig zu praktizieren, da hilft auch keine Liste. Keine einzige Antwort hat alle vom Klienten spezifizierten Punkte berücksichtigt und angesprochen. Das extremste Beispiel ist eine E-Mail mit knapp 800 Wörtern formatierten Text, einer Zimmerbeschreibung im Anhang, und dem eingefügten Bildschirmfoto einer Excel-Tabelle mit den eigentlichen Angebotsdaten. Es wird nach bereits genannte Buchungsdaten rückgefragt. Und die Reaktionszeiten hätten mich während meiner Zeit als Reservierungsmitarbeiter beschämt.
Mein Fazit: „guest recognition“, wie eine bekannte Luxusmarke ihre Gästebetreuer sehr passend nennt, darf nicht auf den Service vor Ort beschränkt sein. Schon im ersten Berührungspunkt muss dem Gast volle Aufmerksamkeit gewidmet werden und die Qualitätsanmutung zum Produkt passen. Dies kann bereits der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein der zu einer erfolgreichen „Direktbuchung“ führen.
Individuell entscheiden
Die Digitalisierung der Buchungsprozesse ist eine sehr individuelle Entscheidung, für die es kein allgemeines Richtig oder Falsch gibt. Die einzige falsche Entscheidung ist diesen Prozessen nicht genug Bedeutung beizumessen, denn eine Transformation findet unweigerlich statt.
Das Vorstandssekretariat gilt beispielsweise als klassischer Analog-Bucher, sei es per E-Mail an den „bevorzugten“ Reservierungsmitarbeiter oder per Anruf um 07.31 Uhr. Jahrelang wurde Zeit und Energie investiert um Firmenbuchungen via Buchungscodes oder personalisierter Buchungsmaschinen vom menschlichen Mitarbeiter zu digitalen Hilfsmitteln zu lenken, mit bedauerlich wenig Erfolg. Erfolgreich waren allerdings die Konzernreisebüros, die quasi als Digitalisierungsdienstleister die analogen Anfragen aufnehmen und digital weiterverarbeiten, gegen Gebühren oder Kommissionen. Und dann gibt es diesen deutschen OTA, der dadurch überlebt dass er sich als einfache Reiseverwaltungssoftware gut an die Chefetagen verkauft hat. Der Kampf um die Direktbuchungen ist, egal was auf Social Media getrommelt wird, kein Duell der David-Hoteliers gegen die Goliath-OTAs sondern ein Rennen jeder gegen jeden, und der am wenigsten Agile kommt regelmäßig unter die Räder. Wenn wir also nicht den richtigen Mix für unsere unterschiedlichen Zielgruppen finden, findet ihn ein anderer – und verdient mit diesem Service an unserer Leistung.
Ein ebenso individuell zugeschnittenes wie auch effizientes System der Kommunikation mit Ihren Gästen sollten Sie so wichtig nehmen wir den Begrüßungsschnaps oder die Plauderei beim Abendessen (wenn Sie ein Stadthotel führen: wie Ihre regelmäßigen „key account“ Veranstaltungen) und als eines Ihrer Aushängeschilder betrachten. Gemäß dem Leitspruch dass man „nicht nicht kommunizieren“ kann trägt ein rundes, zum Betrieb und Angebot passenden Kommunikationskonzept zur Stärkung Ihrer Marke wie zur Gewinnung von Gästen bei.
Bewusst umsetzen
Eine weitere Gefahr der Digitalisierung ist, Prozesse unreflektiert zu digitalisieren und davon automatische Verbesserung zu erwarten. Sinnvolle Digitalisierung beginnt mit einer Bestandsaufnahme der vorhandenen Prozesse, gefolgt von einer schonungslosen Analyse auf Stärken und Schwächen. Danach bewertet man ob es möglich und sinnvoll ist den Prozess zur Gänze oder teilweise zu digitalisieren und erarbeitet einen Plan, wie sich der neue oder erneuerte Prozess in die vorhandenen weiteren Prozesse intergriert.
Am Beispiel der Buchungsanfrage illustriert könnte es so aussehen:
- Warum möchte ich den Prozess digitalisieren?
zB weil ich Personal in der Reservierung einsparen muss; weil ich kein Fachpersonal mehr bekomme; weil meine Gästebefragungen zunehmend den Wunsch nach Sofortbuchung und Selbstverwaltung zeigen; welche konkreten Ziele will ich dadurch erreichen… - Wie sieht der aktuelle Prozess aus?
zb wer beantwortet welche Anfragen, zu welchen Zeiten, mit welchen Hilfsmitteln, wie wird die Korrespondenz dokumentiert, was wird im PMS erfasst, werden die Daten für Marketing genutzt; werden Reaktionszeiten, Gästezufriedenheit und Abschlussquoten gemessen; fühlen sich alle Mitarbeiter sicher im Umgang damit, gibt es Schulungsbedarf für Kommunikation, sind die Produktkenntnisse ausreichend; welche Kosten verursacht der Prozess in welchen Abteilungen… - Was ist gut und was ist schlecht am aktuellen Prozess?
zb wie gut passt der Prozess zur Zielgruppe/verschiedenen Zielgruppen, wie gut ist der Prozess an die Schritte davor und danach angebunden, welche Komponenten werden von Gästen und Mitarbeitern gerne genutzt und welche nicht; ist die technische Umsetzung zeitgemäß und ansprechend, werden rechtliche Vorgaben eingehalten wie Datenschutz, Barrierefreiheit oder Bildrechte… - Welche Prozesse sollen gänzlich digitalisiert werden, welche sollen parallel weiter bestehen, und welche behalte ich bei?
zb soll nurmehr ein chatbot Fragen nach Parkplätzen beantworten, wenn ja wie wird mit telefonischen und schriftlichen Anfragen dazu umgegangen; wie kann ich Gästen die Vorteile digitaler Prozesse kommunizieren; wo hole ich Gäste in neue Prozesse ab; welche Gäste sprechen besser worauf an; wo entsteht Mehrwert in alten und neuen Prozessen; welche erfolgreich bestehenden Prozesse kann ich optimieren; wieviel und welche Ressourcen können wir insgesamt einsetzen… - Wie kann ich den Prozess ideal erneuern?
zb welche Lösungen gibt es, wie sind diese in meine Systemlandschaft eingebunden, welche sonstigen Veränderungen ergeben sich dadurch; wie verändern sich die Kosten in Höhe und Zuordnung bei verschiedenen Varianten; wie messe ich den Erfolg der Maßnahmen, wie kann ich laufend optimieren…
Diese Liste versteht sich als Denkanstoß, nicht als Vorlage, und umfasst nur die ersten Schritte einer Prozessanalyse. Der KI Assistent Ihrer Wahl schreibt Ihnen gerne in Sekundenschnelle eine vollständige allgemeine Checkliste.
Übrigens, als zwingenden Grund einen Prozess zu digitalisieren würde ich im ersten Beispiel nur die Gästebefragungen sehen, für die anderen rate ich auch für andere Möglichkeiten offen zu bleiben – denken Sie daran, die Betreuung auch einen „echten Menschen“ könnte schon bald zu einem stärkeren Alleinstellungsmerkmal werden als Bioprodukte und Nachhaltigkeitszertifikate!
Profitipp: Antworten Sie nach Möglichkeit direkt auf das E-Mail ihrer Gäste und fügen Sie Ihr automatisch erstelltes Angebot als Anhang an – die Korrespondenz wird damit noch persönlicher, und der Verlauf bleibt für beide Seiten erhalten. Das versendete e-mail kann in guten PMS als Dokument in Reservierung und Gastkartei gespeichert werden, damit bleibt auch der Originaltext der Anfrage im Archiv erhalten.